Das Reverse-Charge-Verfahren ist ein Konzept, bei dem die Umsatzsteuerpflicht auf den Leistungsempfänger übertragen wird. Im B2B-Bereich innerhalb der EU
bedeutet dies, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die erhaltene Lieferantenrechnung selbst berechnet und an das Finanzamt zahlt, anstatt
dass der Lieferant dies tut. Der Lieferant weist auf der Rechnung keine Umsatzsteuer aus. Das Verfahren soll den grenzüberschreitenden Handel erleichtern
und Steuerbetrug verhindern. Es gelten jedoch bestimmte Voraussetzungen und Regelungen, die beachtet werden müssen. Bitte klären Sie Ihre konkrete Situation
mit Ihrem Steuerberater. Im folgenden wird das grundsätzliche Vorgehen in Dolibarr für einen allgemeinen Fall beschrieben.
Grundlagen zur Buchung
Neben der Verbuchung der in der Lieferantenrechnugn berechneten Netto-Aufwendungen ist eine weitere Buchung für die durch den Leistunsgempfänger
zu entrichtende Umsatzsteuer und den Vorsteuerabzug für die soeben ermittelte Umsatzsteuer erforderlich. Die entsprechenden Buchungssätze sehen wie folgt aus:
Nettobetrag der Lieferantenrechnung: Konto 'Wareneingang' an Kreditorenkonto
USt. 19% auf den Nettobetrag: Konto 'Abziehbare Vorsteuer nach § 13b UStG 19%' an Konto 'Umsatzsteuer nach § 13b UStG 19%'
Die Kontobezeichnung orientiert sich hier an der deutschen Regelung, sie ist aber in den EU Staaten grundsätzlich ähnlich.
Vor Dolibarr v18 war es erforderlich, den steuerlichen Sachverhalt über eine manuelle Buchung zu ergänzen. Ab v18 ist dies automatisiert möglich,
sofern eine entsprechende Konfiguration vorgenommen wurde und alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Konfiguration der automatisierten Unterstützung des Reverse Charge-Verfahrens ab v18
Ab der Hauptversion v18 von Dolibarr gibt es eine Automatik, die die Steuerbuchungen eigenständig ergänzt. Dazu müssen die folgenden Einstellungen vorgenommen werden:
Aktivierung des Moduls 'Buchhaltung (erweitert)'
In Buchhaltung > Einstellungen > Allgemein: Aktivierung des Reverse Charge-Verfahrens
Konfiguration der Standardkonten der Buchhaltung, insbesondere Hinterlegung von SOLL und HABEN-Konten für Reverse Charge USt-Buchungen
Hinterlegung USt.-ID und Land des eigenen Unternehmens
Hinterlegung USt.-ID und Land beim Lieferanten
Hinterlegung von Einkaufspreisen des Lieferanten beim Produkt und Angabe des anzuwendenden Inlands-Steuersatzes
Vorgehen beim Buchen einer Lieferantenrechnung
Um bei einer Lieferantenrechnung automatisiert die Umsatzsteuerbuchungen zu erzeugen, gehen Sie wie folgt vor:
Lieferantenrechnung: Auswahl eines Lieferanten, der in der EU ansässig ist
Aktivierung vom Reverse Charge-Handling für die Rechnung (Checkbox auf der Rechnungs-Übersichtsseite ankreuzen, die Aktivierung kann auch bei
den Einstellungen für den Lieferanten vorgenommen werden, dann gilt sie für alle Rechnungen)
Verwendung von hinterlegten Produkten/Leistungen (kein Freitext!), wichtig: beim Produkt bzw. der Leistung muss der korrekte Inlandssteuersatz (z.B. 19%) angegeben sein.
Die Steuer wird in der Rechnung korrekt auf 0% gesetzt und der Wert für die Reverse-Charge-Berechnung verwendet.
Die Kontierung der Lieferantenrechnung läuft wie gewohnt. Unter 'Erfassung in der Buchhaltung > Einkäufe' sollten Sie dann die zwei zusätzlichen Zeilen
für die USt.-Buchung vorfinden (jeweils eine für SOLL und HABEN). Fehlen diese, prüfen Sie bitte noch
einmal sehr sorgfältig die Konfiguration und das Vorliegen der aufgeführten Voraussetzungen.
Fazit
Das Open-Source-ERP-System Dolibarr wird kontinuierlich von einer internationalen Entwicklergemeinschaft weiterentwickelt. Dadurch wird diese
Lösung immer wieder um weitere Funktionen für komplexe Sachverhalte ergänzt, wie hier am Beispiel des Reverse-Charge-Verfahrens für Lieferantenrechnungen gezeigt.
Es ist wie bei allen Prozessautomatisierungen auch hier ratsam, das Verhalten anhand der Buchungen im Detail zu überprüfen, um sicherzustellen, dass alle steuerrechtlichen
Randbedingungen für den eigenen Sachverhalt passend berücksichtigt werden und alle erforderlichen Konfigurationen entsprechend vorgenommen worden sind.
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